Lieber Leser,
irgendwie kann ich mich nicht länger darum herumdrücken! Nicht nur, weil ich es Noelle versprochen habe, sondern auch, weil man dem Thema: „Wie ernähre ich mich richtig?“ nicht ausweichen kann. Damit konfrontieren uns doch täglich die Medien. Ausdrücklich nicht: wie ernähre ich mich zeitgemäß oder hip oder modern oder klimaschonend, sondern: Wie ernähre ich mich richtig!
Eigentlich gibt es zu diesem Thema überhaupt keine Diskussion!
Genauso wie wir nicht vorgeben, sondern wissen, wie die uns anvertrauten Tiere optimal ernährt werden müssen, gibt es auch in der menschlichen Ernährung Tabellen, Analysen, Bedarfe und daraus folgende Empfehlungen. Die sind wissenschaftlich untermauert und lassen in jeder Lebensphase eigentlich nicht viel Deutungsspielraum zu! Eigentlich! Warum dann trotzdem diese ewige Diskussion über den richtigen Weg, sich angemessen und gesund zu ernähren?
Es wird ja oft gesagt, es handele sich um eine ausgesprochene Luxusdiskussion, denn entwicklungsgeschichtlich war es viel mehr von Interesse, ob überhaupt die benötigten Kalorien zur Verfügung standen und nicht welche. Die Freude darüber ist aber längst verklungen, denn wer von uns, außer vielleicht bei akuten Essstörungen, fühlt sich denn zu leicht und meint unbedingt mehr essen zu müssen. Also essen wir prinzipiell schon mal zu viel! Warum eigentlich?
1. Weil genug da ist.
Das ist ohne Frage ein Verdienst der Landwirtschaft
2. Wie der Körper gerne Reserven anlegt
Entwicklungsgeschichtlich war es unbedingt notwendig, ein guter Futterverwerter zu sein.
3. Weil es unschlagbar günstig ist.
Auch ein Verdienst der Landwirtschaft und eine Folge des starken Wettbewerbs im Einzelhandel. Während noch in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts 50% des verfügbaren Einkommens für Lebensmittel ausgegeben werden mussten, sind es jetzt unter 10%.
4. Weil es besser schmeckt.
Wenn ich von den Ernährungsgewohnheiten des Mittelalters lese, oder auch der breiten Bevölkerung in der Römerzeit, ich hätte keine Lust, mich nur von Getreide-Brei und Suppe zu ernähren. Da würde ich schon mal eher vom Tisch aufstehen!
5. Weil es gehaltvoller als früher ist.
Fett und Zucker (und auch Fleisch) standen zu Beginn der Industrialisierung nur ca. einem Prozent der Bevölkerung unbegrenzt zur Verfügung, heute praktisch jedem. Außerdem sorgen intakte Kühlketten, Konservierungsstoffe, Zubereitungsarten dafür, dass die in den Rohwaren enthaltenen Nährstoffe nicht verloren gehen.
6. Weil es beworben wird und überall erhältlich ist.
Gemeinhin zählen Fast-Food, soft Drinks, Coffee-to-go nicht zu den Schlankmachern!
7. Weil es ein Kulturgut ist.
Gemeinsame Mahlzeiten halten Familien zusammen, gemeinsames Essengehen Freundes- und Kollegenkreise
8. Weil es den Tagesablauf strukturiert.
Wenn ich an meine Jugend denke, war der Tagesablauf durch eine Mahlzeit alle drei Stunden gegliedert. Bei schwerer körperlicher Arbeit unschädlich, aber heute?
9. Weil wir manipuliert werden.
Die Lebensmittelhersteller wissen ganz genau, wie mit Zucker, Fetten, Konservierungsstoffen, Geschmacksverstärkern umgegangen werden muss um den Verbraucher für ein Produkt einzunehmen. (Korrespondiert mit Punkt 5)
10. Weil wir gesünder sind.
Ich möchte nicht wissen, wie Parasitenbefall, chronische Krankheiten, Entwicklungsstörungen von Kindern durch Hungersnot oder auch nur Kälte und mangelhafte Hygiene mit den folgenden Seuchenzügen sich auf den Stoffwechsel auswirken.
11. Weil wir uns zu wenig bewegen.
Gilt nicht für alle und jeden, aber doch für viele, besonders auch für Kinder und Jugendliche.
Und warum wird jetzt solch ein Hype ums Essen gemacht, wo wir unsere Nahrungsaufnahme doch eigentlich reduzieren sollten?
Weil es in einer Massengesellschaft kaum andere Möglichkeiten für durchschnittlich sportliche, oder musisch begabte oder anders talentierte Zeitgenossen gibt, sich aus der Masse herauszuheben. Dabei haben Spezialernährungsweisen immer zur Voraussetzung, dass sie Aufmerksamkeit, Wissen, Konsequenz erfordern. Wer wollte den Wunsch, sich bewusst zu ernähren, bewusst zu leben nicht anerkennen. Da wird Ernährungsweise zu Lebensweise und verdient unsere Bewunderung!
Schlimm ist dabei nur, wenn diese Verhaltensweise mit missionarischem Eifer und Sendungsbewusstsein verbunden sind. Denn aus dem Wissen, dass wir uns alle ein bisschen fehlernähren, lassen sich noch lange keine verbindlichen Regeln ableiten, womit wir uns gefälligst zu ernähren haben! Wissenschaftlich belegbar ist- meines Wissens- außer Paracelsus alter Erkenntnis, dass die Dosis das Gift mache, keine dieser Theorien.
Eine weitverbreitete (relativ, nicht absolut) Spielart der Sonderernährung ist dabei der Vegetarismus oder noch radikaler der Veganismus. Es ist m.E. überhaupt nicht zielführend, sich darüber lustig zu machen, obwohl ich zugebe, dass in meiner Fleischessercommunity einige ganz lustige Scherzchen kursieren. Man muss zugeben, dass es ziemliche Intelligenz erfordert, sich ohne veredelte Lebensmittel ausgewogen zu ernähren. Synthetische Nahrungsergänzungsmittel mögen zwar nicht gerade natürlich sein, helfen dabei aber. Wenn man sich die Produktionsstätten z.B. vegetarischer Lebensmittel anschaut, erinnern die auch eher an ein Chemielabor, als an handwerkliche Lebensmittelbetriebe. Aber jeder nach seiner Fasson!
Ich gebe nur eines zu bedenken:
Entwicklungsgeschichtlich war Fleischverzehr, auch wegen der sehr viel höheren Nährstoffkonzentration, immer ein enormer Wettbewerbsvorteil! Wenn die Nachbarhorde noch durch die Brombeerhecke kroch, konnte der Jäger schon Gedichte schreiben oder Bibeln übersetzen, oder was Jäger sonst so machen! Aber, wir sehen doch, dass jede sich entwickelnde Gesellschaft zuerst einmal einen stark ansteigenden Fleischverzehr hat. Alle Schwellenländer zeigen dieses Verhalten. In dem höheren Fleischverzehr zeigt sich Status und erreichter Wohlstand, parallel zu unserer Gesellschaft damals. Es wäre ein Umerziehungslager nordkoreanischen Ausmaßes nötig, dieses Verhalten sich entwickelnden Gesellschaften auszutreiben. Anmaßend und unerträglich hochnäsig ist es, andern abzugewöhnen zu wollen, was man durch Kolonialismus und wirtschaftliche Hegemonie den Betroffenen verwehrt hat. Bloß weil die eigene Gesellschaft schon eine Generation weiter (aber nicht besser) ist.
So Noelle,
ich bin sicher, Du wolltest keine weitschweifende Lagebeschreibung lesen, sondern herauskriegen, wie ich zu Vegetariern oder zu Veganern stehe.
Essen ist ein sinnliches Vergnügen! Fleisch essen ist der Gipfel der (kulinarischen) Genüsse! (Ebenso wie Fisch oder Meeresfrüchte) Am Stück, nicht geschreddert oder durch die feine Cutterscheibe gepresst und mit Currysauce ertränkt. Helmut Gote, der WDR-Koch spricht so schön von einer Geschmacksexplosion im Mund. Wenn wir weniger davon essen müssen, dann nicht aus ideologischen, sondern aus ernährungsphysiologischen Gründen. Wenn´s zu viel wird, verliert es übrigens auch seinen Reiz.
Die Alternative „Biofleisch“ als möglicher Kompromiss, wird meiner Meinung nach (außer bei Rindfleisch), nie vom Großteil der Verbraucher akzeptiert werden, weil zur Produktion von Schweine- und Geflügelfleisch im Grunde Biomüsli verwendet wird, und deswegen viel zu teuer sein muss! Wiederkäuer wie Rinder und Schafe verwerten zum Großteil das, was der Mensch nicht isst! Die stehen also nicht in Nahrungskonkurrenz zum Menschen.
Wer jetzt also meint, auf Fleisch, oder sogar auf tierische Produkte ganz verzichten zu müssen, der soll das bitte tun, sein Handeln aber nicht als überhöhte alleinseligmachende Ersatzreligion verkaufen. Vielleicht ist es ja genug, ein guter, und nicht unbedingt ein besserer Mensch zu sein!
Jeder nach seiner Fasson…
Bis dahin,
Christoph
p.s.: schaut euch doch mal den Film von Karl Höffkes ,“ harte Arbeit reiche Ernte“ an, wenn ihr sehen wollt, wie es vor 80 Jahren in der Landwirtschaft zuging. Toll!
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